Gerade einmal ein halbes Jahr ist es her, dass Bürgermeister Pierre Gilgenast im Namen der Stadt Rendsburg die „Lübecker Erklärung für Akzeptanz und Respekt“ unterschrieb. Die Rendsburger Ratsversammlung hatte diese Unterschrift bereits im März 2017 einstimmig beschlossen.
Im Text der Lübecker Erklärung heißt es: „Die Freiheit der Einzelnen mit dem Recht auf sexuelle, geschlechtliche und geschlechtsidentitäre Selbstbestimmung darf in einer demokratischen Gesellschaft durch keinerlei Maßnahmen begrenzt und gefährdet werden. […] Die Unterzeichner_innen der Lübecker Erklärung verpflichten sich, jeglicher Form von Diskriminierung aufmerksam entgegenzutreten. Sie engagieren sich für Anerkennung von und Respekt vor lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und pansexuellen Mitmenschen.“
Dies nahm die Fraktion DIE LINKE in der Ratsversammlung Rendsburg zum Anlass, eine aus ihrer Sicht große Hürde auf dem Weg zur vollständigen Gleichstellung aus dem Weg zu räumen, die sich die Stadt Rendsburg selbst auferlegt hatte. Laut § 2 Absatz 2 der Hauptsatzung der Stadt Rendsburg tragen die Stadtvertreterinnen die Bezeichnung „Ratsfrau“ und die Stadtvertreter die Bezeichnung „Ratsherr“. DIE LINKE forderte stattdessen die geschlechtsneutrale Bezeichnung „Mitglied der Ratsversammlung“ für alle, um eine Ausgrenzung jener zu vermeiden, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen oder zuordnen lassen.
„Mit der Unterschrift unter der Lübecker Erklärung hat sich die Stadt verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um jegliche Form von Diskriminierung zu bekämpfen“, sagt Mario Meß, Antragsteller und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Fraktion DIE LINKE. „Das können und müssen wir tun.“
Dennoch nahm die Bunte Allianz aus CDU, Grünen, FDP und SSW den Antrag zum Anlass, ihr mangelndes Verständnis für die Thematik in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der gemeinsame Gegenantrag, von der CDU-Fraktionsvorsitzenden Anja Ilgenstein eingebracht, zielte darauf ab, neben den bisherigen geschlechtsspezifischen Bezeichnungen eine dritte, geschlechtsneutrale Option einzuführen.
„Diese Variante führt keineswegs zum Ziel, die Diskriminierung abzubauen, sondern mehr denn je zur Stigmatisierung der ‚Andersartigen‘. Wer sich nicht dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen kann oder möchte, wird hier zum Outing gezwungen. Wenn die Bunte Allianz diesen Vorschlag ernst meint, hat sie das Problem nicht verstanden“, so Meß. „Vom Niveau der Argumentation ganz zu schweigen.“ Ratsmitglied Ilgenstein hatte sich zuvor nahezu kindisch über den Begriff „Mitglied“ als geschlechtsneutral geäußert.
Lediglich die SPD-Fraktion stimmte mit der Fraktion DIE LINKE für den Antrag, sodass der Antrag mehrheitlich abgelehnt wurde. Anschließend zog Ratsmitglied Ilgenstein den zuvor eingebrachten Gegenantrag zurück, sodass die bisher geltenden Bezeichnungen ihre Gültigkeit behalten.
„Da die Unterschrift unter der Lübecker Erklärung offensichtlich für die Mehrheit der Ratsmitglieder keine Bedeutung hat, bitte ich den Bürgermeister, die Unterschrift zurückzuziehen“, erklärt Meß abschließend. „Ein schwarzer Tag für Akzeptanz und Respekt. Schade, dass hier so aktiv gegen die Bekämpfung von Diskriminierung gehandelt wird.“
DIE LINKE wird sich auch weiterhin vor Ort für alle Mitmenschen, unabhängig ihres Geschlechts oder ihrer Geschlechtsidentität, einsetzen.
Lübecker Erklärung für Akzeptanz und Respekt
Diskriminierung und Ausgrenzung von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. In den letzten Jahren ist ein zunehmendes Bewusstsein in unserer Gesellschaft gewachsen, Diskriminierungen entgegenzutreten und sich für die Gleichstellung aller Menschen einzusetzen. Diskriminierung und/oder Gewalt irritiert alle Menschen, die soziale Verantwortung tragen und darum wissen, welche hohe Bedeutung Entdiskriminierung und Emanzipation auf positive gesellschaftliche Entwicklungsprozesse hat. Die Lübecker Erklärung positioniert sich gezielt für Akzeptanz und Respekt sowie gegen Ausgrenzung, Diskriminierung oder gar Gewalt bezogen auf Menschen mit vielfältigen sexuellen und/oder geschlechtlichen Variationen.
Die Unterzeichner_innen der Lübecker Erklärung dokumentieren damit, dass sie Diskriminierung und/oder Gewalt jeglicher Art gegen Menschen aufgrund sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und/oder Variation der körperlichen Geschlechtsentwicklung nicht hinnehmen werden.
Die Lübecker Erklärung fußt auf Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetztes aber insbesondere auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) §1, nach dem „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ sind.
Die Lübecker Erklärung erklärt bezugnehmend auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dass lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und pansexuelle Menschen auch in Schleswig-Holstein in allen Lebensbereichen mit allen Rechten, Chancen aber auch Pflichten akzeptiert und respektiert werden. Die Freiheit der Einzelnen mit dem Recht auf sexuelle, geschlechtliche und geschlechtsidentitäre Selbstbestimmung darf in einer demokratischen Gesellschaft durch keinerlei Maßnahmen begrenzt und gefährdet werden. Jegliche Art von Diskriminierung oder gar Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und pansexuelle Mitmenschen ist ein Angriff auf unser Grundgesetz und unsere Grundwerte.
Die Unterzeichner_innen der Lübecker Erklärung verpflichten sich, jeglicher Form von Diskriminierung aufmerksam entgegenzutreten. Sie engagieren sich für Anerkennung von und Respekt vor lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und pansexuellen Mitmenschen. Das Ziel der Lübecker Erklärung ist ein breites gesellschaftliches Bündnis, dass Rassismus, Gewalt, Hass und Intoleranz entschieden widerspricht und die Akzeptanz sexuell und geschlechtlich vielfältiger Lebensweisen fördert.
Mehr Informationen: www.echte-vielfalt.de