Schritt Richtung Bürgerhaushalt

ECKERNFÖRDER ZEITUNG

Schritt Richtung Bürgerhaushalt

5. November 2010 | 04:50 Uhr | Von Gernot Kühl

Die Politik möchte den Bürgern mehr Einflussmöglichkeiten bei politischen Entscheidungen einräumen. Die Ratsversammlung hat am Mittwochabend den Anträgen von SPD und Linken einstimmig (bei drei Enthaltungen) beziehungsweise mehrheitlich zugestimmt, wobei die CDU-Fraktion und FDP-Mann Lars Seemann gegen den Antrag der Linken stimmten. Während die SPD die Einrichtung einer Rubrik "Bürgervorschläge / Bürgerbeteiligung" auf den Internetseiten der Stadt Eckernförde vorschlägt, geht die Linke mit ihrem Prüfantrag zur Einrichtung eines Bürgerhaushaltes weiter. Ziel dieses Vorstoßes sei eine stärkere Einbindung der Bürger in die Haushaltsplanung und die Förderung des politischen Engagements, sagte Linken-Chef Rainer Beuthel. Die letzte Entscheidung obliege jedoch nach wie vor der Ratsversammlung.

SPD-Frationschef Martin Klimach-Dreger sieht in dem Internetforum "einen ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Bürgerbeteiligung". Behutsam solle dieser Weg beschritten und ausgebaut werden. Das bedeute "kontinuierliche Kommunikation" zwischen Bürgern und Politikern und sorge für mehr Transparenz. Gerade zurzeit seien "Kommunikationsprobleme und eine Entfremdung" der Bürger von der Politik spürbar, wie das Beispiel Stuttgart 21 zeige, sagte Klimach-Dreger. "Klingt simpel, bedeutet viel", sagte er zur Einrichtung einer Internet-Rubrik Bürgervorschläge. Das Projekt Bürgerhaushalt sei ebenfalls unterstützungswürdig und ein parallel laufender Prozess.

"Die repräsentative Demokratie ist in der Krise", befand der Fraktionsvorsitzende der Linken, Rainer Beuthel. Parallel dazu gewännen Bürgerbewegungen immer mehr an Bedeutung, wie der erfolgreiche Protest gegen die Schließung des Altonaer Museums oder auch die Aktivitäten des Eckernförder Altstadtvereins zeigten. "Bürger fordern mehr direkten Einfluss, auch bei den Finanzen", sagte Beuthel. Das Thema Bürgerhaushalt werde daher in immer mehr Städten umgesetzt und diskutiert. Vor diesem Hintergrund solle die Verwaltung prüfen, wie die Modelle in anderen Kommunen funktionierten und ob diese sich auf Eckernförde übertragen ließen. Bürgern solle nach den Vorstellungen der Linken ein Vorschlagsrecht bei der Haushaltsplanung eingeräumt werden, Ausschüsse und Ratsversammlung müssten sich mit den Eingaben beschäftigen und den Bürgern Rückmeldungen über Annahme oder Ablehnung geben. Erklärtes Ziel sei eine breitere öffentliche Diskussion der Haushaltsplanung.

Der SPD-Antrag, den Beuthel als "technisch erweiterte Bürgerfragestunde" bezeichnete, habe einen "Pferdefuß":

Ausgerechnet dem nicht-öffentlich tagenden Hauptausschuss wolle die SPD die Entscheidung über eine Installation der Internetbeteiligung und damit einer Ausweitung der Bürgerbeteiligung antragen. "Ein merkwürdiger Widerspruch", meinte Beuthel, der die Gründung einer Arbeitsgruppe aus Politikern und Bürgern vorschlug. Der Hauptausschuss fungiere "wie ein Geheimgremium". Er kündigte für die nächste Ratssitzung einen Antrag auf Änderung der Hauptsatzung an mit dem Ziel, auch den Hauptausschuss öffentlich tagen zu lassen. Dann wiederum, so Klimach-Dreger in seiner Replik, sei zu befürchten, dass brisante Themen, die noch nicht öffentlich diskutiert werden sollen, in den Ältestenrat gezogen und die Entscheidungsprozesse noch intransparenter würden.

Für die CDU-Fraktion mahnte Rainer Bruns die Verhältnismäßigkeit an. Die Bürger könnten bereits heute übers Internet mit der Stadt und den Fraktionen kommunizieren, von daher werden man "den Sprung ins zunächst kalte Wasser" nicht mitmachen. Die Beteiligung der Bürger in Städten mit Bürgerhaushalten liege nur bei einem Prozent, sagte Bruns. Die Anschaffung entsprechender EDV-Module liege im "fünfstelligen Bereich", das sei angesichts der Haushaltslage derzeit nicht leistbar. Grundsätzlich habe die CDU jedoch nichts gegen eine stärkere Bürgerbeteiligung, im Gegenteil – man würde sich darüber freuen. Den SPD-Antrag unterstütze die CDU.

Das Interesse an Bürgerhaushalten steige von Jahr zu Jahr, sagte Edgar Meyn (Die Grünen), die Vorteile lägen auf der Hand. Prüfen müsste man die Kosten der Umsetzung. In Trier hätten die Bürger im zweiten Jahr 143 Vorschläge eingebracht, von denen 22 bereits umgesetzt und elf in Arbeit seien, nur 32 seien abgelehnt worden. Meyn: "Ich würde mich freuen, wenn auch die CDU den Zeitgeist erkennen und ein bisschen moderner werden würde."

Auch Micha Bund (Freie Wähler) signalisierte Zustimmung, Jette Waldinger-Thiering (SSW) mit dem Verweis auf die gängige Praxis in Skandinavien ebenfalls, und Oliver Fink (FDP) kritisierte die "teilweise veraltete und nicht immer aktuelle" Internetpräsenz der Stadt Eckernförde, die zunächst mal auf Vordermann gebracht werden müsste.

Quelle: http://www.shz.de/nachrichten/lokales/eckernfoerder-zeitung/artikeldetails/article/809/schritt-richtung-buergerhaushalt.html

Ähnliche Beiträge