Rede von Rainer Beuthel zur aktuelle Stunde zum Fall Jentzsch

(Eckernförder Ratsversammlung am 10.12.2013) Frau Vorsitzende,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Gäste,

unter der Rubrik „Wir fordern Einhaltung demokratischer Spielregeln“ hat das Bürgerforum in seinem Kommunalwahlprogramm 2013 verlangt: eine „energische Untersuchung bei Verdacht auf Lobbyismus, Vorteilgabe und –nahme“.

  Um das Bürgerforum bei der Verwirklichung dieses Zieles energisch zu unterstützen, habe ich als Ratsherr der LINKEN diese aktuelle Stunde mit beantragt, als ein erster Schritt, um den Fall Dr.Jentzsch/Bürgerpark untersuchen zu helfen.

  Im gleichen Abschnitt des Programms wurde auch verlangt ein „Ausschluß von Lobbyisten in Stadtrat, Ausschüssen, Aufsichtsräten, Beiräten.“ Nun – das ist allerdings recht schwierig zu erreichen. Demokratisch gewählte Mandatsträger können aus gutem Grund nicht einfach ausgeschlossen werden. Allerdings können sie selbst jederzeit die entsprechende Konsequenz ziehen, denn anders als  sonstwo gilt in der Politik nicht die Regel: „ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich´s doch ganz ungeniert.“ Diese aktuelle Stunde ist beredter Ausdruck dafür.

  Im bewußten Programm wird zudem als Ziel genannt: „Ausbau des Bürgerparks zu einer Modelleinrichtung für grüne Ruhezonen in der Stadt.“ Ich habe gestern abend mit Erstaunen von Matthias Huber, dem Fraktionsvorsitzenden des Bürgerforums, den Satz gehört: „Daß Dr. Jentzsch den Bürgerpark kaufen will, wußten wir schon seit zwei Jahren.“ Da ich nicht zu den erlauchten bürgerlichen Kreisen des Forums gehöre,  das auch gerne einmal hinter verschlossenen Türen tagt, habe ich davon erst in der Hauptausschußsitzung am 14. November erfahren und andere Kolleginnen und Kollegen auch. Dem Bürgermeister wurde dieses Unterfangen am 4. November von Jentzsch unterbreitet mit der Absicht, mit ihm einen Weg zu vereinbaren, wie dieses Ziel zu erreichen wäre. Der Bürgermeister hat mit Recht darauf hingewirkt, daß diese Angelegenheit natürlich in die politischen Gremien gehört, in diesem Fall in den Hauptausschuß.

  Ich überlasse es der Phantasie meiner Zuhörerinnen und Zuhörer, sich vorzustellen, wie das Ziel „Ausbau des Bürgerparks“ ins Kommunalwahlprogramm des Bürgerforums gelangt ist. Ich nenne dies Verfahren „Demokratie nach Gutsherrenart“. Wer über Geld, Grund- und Gebäudebesitz verfügt, kann es sich leisten, als Gutmensch aufzutreten und vorzugeben, er wolle auf seinem Privatbesitz Gutes, Schönes und Wahres für alle schaffen – allerdings nach eigenem Gusto. Nebenbei darf die Stadt einen Teil der Kosten dafür tragen. So geht es nicht. Genau dieses Prinzip des Sponsoren- und Mäzenatentums, der Privatisierung öffentlicher Güter kritisieren wir als LINKE. Denn es führt dazu, daß öffentliche Angelegenheiten mit Privatinteressen vermengt werden. In diesem Fall nach der Devise: mir liegen die Krokusse im Bürgerpark am Herzen, deshalb lasse ich einen Zaun errichten. Im Winter gerodelt werden darf nicht mehr – das entscheide im Zweifel ich!

  Dr. Jentzsch hat in einer E-Mail vom 4.12. an den Bürgermeister, die er auch mir und anderen zugänglich machte, in Bezug auf den Komplex „Mühlenberg“ ausgeführt: „Nach den mir jetzt vorliegenden Kenntnissen liegt eine Befangenheit im Sinne des §22 GO vor.“ Ich reibe mir die Augen und frage verwundert: um was für plötzlich auftauchende Kenntnisse soll es sich denn da handeln? Die Befangenheit liegt klar auf der Hand: erstens grenzt das Grundstück Dr. Jentzschs direkt an den Bürgerpark, zweitens hat er vom Investor Wagner im ebenfalls anliegenden alten Kreishaus eine Immobilie erworben (der Bürgerpark ist also gewissermaßen sein Vorgarten), und drittens hat er mit Wagner einen Kaufvertrag über den Bürgerpark abgeschlossen (mit einem sittenwidrig niedrigen Spottpreis), der dann in Kraft treten soll, wenn der B-Plan in der Ratsversammlung verabschiedet worden ist. Und da kommt Dr. Jentzsch erst am 4.12. auf die Idee, er könne als  Ratsherr, als Entscheidungsträger befangen sein? Obwohl er seit Jahren eine Kaufabsicht gehegt hat, und sich spätestens seit dem Einzug in die Ratsversammlung natürlich mit einschlägigen Rechtsvorschriften wie der Gemeindeordnung befassen mußte?

  Auf  Deutsch gesagt: ich fühle mich von vorn bis hinten verarscht. Das ist ein aberwitziger Schildbürgerstreich und ich versuche mir vorzustellen, was in dieser Stadt los wäre, wenn anstelle des Kollegen Jentzsch ein Ratsmitglied einer anderen Partei so gehandelt hätte? Das Bürgerforum würde schäumen, übrigens zu recht. Aber ist das Bürgerforum in der Lage, seine hehren Prinzipien auch auf sich selbst anzuwenden? Ich bin gespannt.

  Heinrich Heine hat in seinem Versepos „Deutschland ein Wintermärchen“ dazu etwas schönes gesagt:

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn‘ auch die Herren Verfasser.

Ich weiß, sie tranken heimlich Wein

Und predigten öffentlich Wasser.

Danke für die Aufmerksamkeit.

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