Afghanistan-Krieg: Sie lügen

17. Dezember 2009

Die „Untersuchung des Kunduz-Luftschlags“ erinnert an eine billige Schmierenkomödie. Die Berliner Politbühne gibt das Stück „Wer hat wann was warum gewusst oder nicht wissen können?“ und jeder weiß doch schon, dass hier kräftig geschwindelt wurde und wird. Höhepunkt der jämmerlichen Vorstellung wird sein, wenn der Verteidigungsminister die „politische Verantwortung übernimmt“ und zurücktritt, damit der, der nach ihm kommt, „unbelastet“ so weiter machen kann. Applaus.

In Afghanistan herrscht Krieg. Es ist ein Bürgerkrieg und zugleich eine Art Kolonialkrieg, der um strategisch-militärischen Einfluss der USA geführt wird, deren Verbündete hauptsächlich deshalb mitmachen, um der einzig verbliebenen Supermacht das Feld nicht alleine zu überlassen. Denn es geht um die Neuaufteilung der Welt nach dem Ende der Blockkonfrontation mit der Sowjetunion im Kalten Krieg. Und es geht um die noch verbleibenden Ölvorräte, die für das reibungslose Funktionieren und für das Wachstum der kapitalistischen Weltwirtschaft notwendig sind, bis zum bitteren Ende.

In den Kolonialkriegen des 19. und 20. Jahrhunderts ging es, wie z.B. in Deutsch-Ostafrika, angeblich um die Ausbreitung des Christentums, gegen „Vielweiberei“ und Sklavenhaltertum, für die Einführung der Zivilisation. In Wirklichkeit wollte das Deutsche Reich Kolonien besitzen, um mit den anderen Kolonialmächten mithalten zu können. Schon damals hieß die Kolonialarmee „Schutztruppe“. Die aktuellen Gründe für die Anwesenheit unserer „ISAF-Schutztruppe“ in Afghanistan sind angeblich folgende: sie verteidigt im Zusammenwirken mit „unseren Verbündeten“ am Hindukusch unsere Freiheit, sie soll den friedlichen Aufbau des Landes fördern (während es tatsächlich zerstört wird), soll den Afghanen den Aufbau einer Demokratie ermöglichen oder auch den Anbau von Schlafmohn und Cannabis eindämmen (oder sich da lieber raushalten – man weiß es nicht so genau). Die Mehrheit der dortigen Bevölkerung will jedoch keine Demokratie nach europäischem Vorbild und ein Großteil der Bauern lebt traditionell vom Anbau dieser ungeliebten Pflanzen (Haschisch ist übrigens – wie im Vietnamkrieg seinerzeit – eine von Soldaten gern konsumierte Droge).

All jene Begründungen sind so fadenscheinig konstruiert wie die Fernsehbilder von den Ergebnissen des „Kunduz-Luftschlags“: man sieht eine Reihe von zertrümmerten Tanklastwagen, zwischen denen ein paar afghanische Soldaten oder Polizisten mit Knarren umherstöbern. Die ca. 150 Toten wurden bereits weggeräumt; nur zum Schluss der Filmsequenz wird in einem Tuch an einer Stange hängend irgendetwas Feuchtes durch die Gegend getragen, wohl ein „Opfer“, damit wir nicht ganz vergessen, wie gefährlich es dort für „unsere Soldaten“ ist. Aber was in dem Tuch wirklich ist, erfährt man nicht.

In den letzten Tagen durften wir nun überraschenderweise erfahren, dass es gar nicht um die Zerstörung von Tanklastwagen, sondern um die „Auslöschung“ (ZDF-Berichterstatter Peter Hahne am 16.12.09) von Taliban-Kämpfern gegangen sei. Darauf muss man erst mal kommen. Wer weiß denn schon, dass „unsere Soldaten“ wie alle Soldaten in jedem Krieg in erster Linie daran denken, wie sie sich vor Feinden schützen („Schutztruppe“?) und diese notfalls töten um selbst dort irgendwie lebend wieder raus und nachhause zu kommen? Und wer weiß schon, dass wie in jedem Krieg auch im Afghanistankrieg, wenn es um die „Auslöschung“ des Feindes geht, die Zivilbevölkerung ganz schlechte Karten hat?

Niemand wusste das bisher und wir danken dem christlichen Fernsehreporter Peter Hahne, der im ZDF klar gestellt hat, worum es am Hindukusch geht.